Von “Röhrenflüsterern” zu Präzisions-Technikern: Coolidge-Röntgenröhre

Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt im November 1895 zufällig eine neue Art von Strahlen, die die Welt verändern sollen: die Röntgenstrahlen. Die Menschen können mit ihnen das erste Mal in den menschlichen Körper hineinschauen, ohne ihn dafür öffnen zu müssen. Eine Sensation und der Beginn der modernen medizinischen Bildgebung!

Die Röntgenstrahlen werden in Röntgenröhren erzeugt. Die von Hand gefertigten filigranen Glaskörper enthalten zwei Metallpole, Anode und Kathode genannt. Fließt durch die Röhre Strom, fliegen Elektronen von der Kathode zur Anode und treffen dort mit halber Lichtgeschwindigkeit auf. Ein Großteil der Energie wird beim Aufprall in Wärme umgewandelt und knapp ein Prozent wird in Form von Röntgenstrahlen abgegeben.

Anfangs müssen die Ärzte und die Röntgenschwestern, die den Ärzten assistieren noch wahre “Röhrenflüsterer” sein. Jede Röhre hat ihre eigenen Besonderheiten. Die ersten Röntgenröhren sind sogenannte Ionen-Röhren. Sie enthalten geringe Mengen Luft. Fließt Strom, werden die positiv geladenen Ionen in der Luft von der Kathode, dem Minuspol, angezogen. Die Ionen schlagen beim Aufprall Elektronen aus dem Metall der Kathode heraus, die dann an der Anode, dem Pluspol, die Röntgenstrahlen hervorrufen. Die Begebenheiten in diesen Röntgenröhren ändern sich ständig und so auch die Art der Röntgenstrahlen, die erzeugt werden.

William David Coolidge entwickelt 1913 eine Glühkathoden-Hochvakuum-Röntgenröhre, kurz Coolidge Röntgenröhre genannt. Sie ist komplett luftleer. Die Kathode wird erwärmt. So werden die Elektronen herausgelöst, flitzen zur Anode, wo beim Aufprall die Röntgenstrahlen erzeugt werden. Die neue Röhre ist ein Durchbruch in der Radiologie. Die Ärzte müssen nicht mehr in “Versuch macht klug”-Manier ihre Röhren regelrecht beschwören, sondern können unter verlässlichen und wiederholbaren Bedingungen die Art und Menge der Röntgenstrahlen regulieren.

Dieses Röhren-Bau-Prinzip findet auch heute noch Anwendung. Eine weitere Verbesserung sind die sich drehenden Anodenteller. Bei jedem Aufprall von Elektronen auf die Anode, bekommt die Anode winzige Stöße und Dellen. Bei der hier gezeigten Röntgenröhre lässt sich der sogenannte “Brennfleck” auf der abgeschrägten Anode gut erkennen. Ein sich drehender Anodenteller verlangsamt die Abnutzung des Materials, da die Elektronen an unterschiedlichen Stellen aufprallen.

Diese Coolidge-Röntgenröhre wurde von der Firma General Electric hergestellt. William David Coolidge, der diesen Röhrentyp entwickelt hat, war Leiter des Forschungslabors der Firma. An der Röhre befindet sich ein Zettel mit Angaben unter welchen Einstellungen die Röhre für welche Anwendungen verwendet werden kann.